Eco: Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt
Bücher über das Schreiben I
Mit seinem Buch „Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt“ lädt Umberto Eco, der Schriftsteller, Kolumnist, Philosoph und Medienwissenschaftler in sein Atelier ein. Schreiben als Handwerkt, in das der Großmeister geduldig und mit großer Gelassenheit einführt. Der Text scheint manchmal etwas aus der Zeit gefallen zu sein bzw. es wird an so vielen Stellen deutlich, dass Eco an einer Universität denken, schreiben und forschen gelernt und praktiziert hat, die so ganz andersfunktioniert, als die Universität in denen ich mich in den letzten Jahren bewege. Vielleicht genieße ich das Schmökern in diesem Buch auch deswegen immer wieder so sehr: Eco erzählt davon, wie wissenschaftliches Arbeit sein könnte und eröffnet somit eine Zielperspektive auf die es sich lohnt hin zu arbeiten.
Mit großer Genauigkeit, viel Wissen und Erfahrung sowie einem wunderbar herzlichen Humor nimmt der Autor den Lesenden an die Hand und führt ihn in das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit ein. Von der grundsätzlichen Frage, was eigentlich eine Abschlussarbeit sei und warum man sie überhaupt schreibe, über konkrete Hinweise zur Auswahl des Themas, Materialsuche und der Erstellung eines Arbeitsplans, bis hin zu Fragen nach Stil, Ausdruck, Zitationsregeln, Schlussredaktion und Fallstricken wird man Zeuge Ecos eigenen Denkens und Arbeitens.
Manches davon wirkt antiquiert, so die Arbeit mit einer Kartei zur Organisation von Literatur und zur Strukturierung des Inhalts. Die Grundgedanken und die Haltung des Buches sind aber auch in Zeiten des digitalen Werkzeugs noch immer wesentlich und aktuell. Beispielsweise die Frage danach in welcher Reihenfolge man die umfassend recherchierte Literatur lesen sollte. Eco verdeutlicht dies anhand eines hypothetischen Kandidaten, der sich mit den Traktatisten des Barock erstmalig beschäftigt und sich fragt, welchen Autor er jetzt zuerst lesen solle:
„Die vernünftigste Antwort scheint mir die folgende: Zunächst sich zwei oder drei Texte der Sekundärliteratur, möglichst allgemeine, vornehmen, um Klarheit über den Hintergrund zu gewinnen, vor dem er [der Schreibende, Anm. L.U] sich bewegt: dann den Autor selbst angehen, um zu verstehen, was er sagt; dann den Rest der Sekundärliteratur prüfen; schließlich zum Autor zurückkehren, um ihn im Licht der neu erworbenen Kenntnisse zu untersuchen. Aber das ist ein sehr theoretischer Rat. Jeder arbeitet auch nach seinem persönlichen Rhythmus und seinen persönlichen Wünschen, und „Durcheinanderessen“ muss nicht zu Verdauungsbeschwerden führen. Man kann auch im Zick-Zack vorgehen und verschiedene Ziele avisieren. Vorausgesetzt, ein enges Netz von Aufzeichungen, möglichst in Form von Karteikarten, hält das Ergebnis dieser „abenteuerlichen“ Sprünge zusammen.“ (Eco 2010: 138)
Wie solche Notizen aussehen können wird dann im folgenden Kapitel beschreiben. Das Beispiel zeigt zwei wesentliche Charakteristika des Buches. Zum einen macht Eco anhand von vielen konkreten Beispielen deutlich, wie pragmatische Arbeitsschritte im Verlauf der Arbeit aussehen können, ohne diese zum allgemein gültigen Vorgehen zu erheben. Zum vorgeschlagenen Weg werden immer auch Alternativen und Umwege aufgezeigt. Zum anderen wird den ganzen Text über deutlich, das Schreiben – auch und gerade das Schreiben von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten – ein Abenteuer ist!
Insofern hilft mir das Buch in den Zeiten in denen mir das Schreiben schwer von der Hand geht. Eco ist wie ein Partner, der bereits auf dem Berggipfel steht, mir zuwinkt und mich daran erinnert, wie großartig der Weg ist, der noch vor mir liegt:
"Wichtig ist, dass man das Ganze mit Spaß macht. Und wenn ihr ein Thema gewählt habt, das euch interessiert,wenn ihr euch entschlossen habt, der Arbeit jene (wenn auch vielleicht kurze) Zeitspanne zu widmen, die ihr euch vorgenommen habt, dann werdet ihr merken, dass man die Arbeit als Spiel, als Wette, als Schatzsuche erleben kann.
Es liegt eine Art sportliche Befriedigung in der Jagd auf einen Text, der nicht aufzufinden ist, es bereitet eine rätselhafte Befriedigung, nach langem Nachdenken die Lösung für ein Problem zu finden, das unlösbar schien.[…]
Wenn ihr die Partie mit sportlichem Ehrgeiz spielt, werdet ihr eine gute Arbeit schreiben. Wenn ihr dagegen schon mit der Vorstellung startet, dass es sich um ein bedeutungsloses Ritual handelt und dass es euch nicht interessiert, dann habt ihr verloren, ehe ihr anfangt. […]
Hat euch das Schreiben der Arbeit Spaß gemacht, werdet ihr Lust bekommen, weiterzumachen. Normalerweise denkt man bei der Arbeit an der Abschlussarbeit an den Augenblick, in dem sie fertig wird: Man träumt von den Ferien, die hinterher kommen. Aber wenn die Arbeit gut gemacht wurde, dann befällt einen nach ihrer Beendigung eine große Arbeitswut. Man will alle die Punkte vertiefen, die man vernachlässigt hatte, man will alle die Ideen weiterverfolgen, die einem gekommen waren, die man aber auf sich beruhen lassen musste, man will weitere Bücher lesen, Aufsätze schreiben. Und das ist ein Zeichen, dass die Arbeit euren geistigen Stoffwechsel angeregt hat, dass sie eine positive Erfahrung war.“ (Eco 2010: 265ff.)
Das Buch:
Umberto Eco (2010): Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt. 13. Auflage. Wien: facultas.
Weiterführende Informationen:
Die Fragestellung in der wissenschaftlichen Arbeit | Wissenschaft
Photocredit: Pixaby
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